Große Studie zur Schaufensterkrankheit – Bypass verhindert bei unter 80-Jährigen mehr Beinamputationen als Stent

Von Gefäßschäden und Durchblutungsstörungen in den Beinen sind in Deutschland mehr als zwei Millionen Menschen betroffen. Jedes Jahr entwickeln 50.000 bis 80.000 von ihnen eine kritische Mangeldurchblutung, die ohne rasche und geeignete Therapie eine Amputation im Bereich des Fußes oder des Beines notwendig machen kann. Durch die Wiederherstellung der Blutversorgung kann die betroffene Extremität oft gerettet werden – allerdings ist unter Expert*innen strittig, wann hierfür ein minimalinvasiver Eingriff mithilfe einer Intervention in Form eines Stents ausreicht und wann eine offen-chirurgische Bypass-Operation erfolgen sollte. Eine im New England Journal of Medicine NEJM veröffentlichte internationale Studie1 zeigt nun, dass die Bypassoperation mit einer körpereigenen Vene bei einem großen Teil der Patient*innen bessere Ergebnisse erzielt. Die Studie liefere wichtige Evidenz in dieser kontrovers diskutierten Frage, so die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG).

Die Wiederherstellung des Blutflusses in unterversorgte Bein- und Fußregionen lässt sich prinzipiell auf zwei Wegen erreichen: Mithilfe einer Bypass-Operation, die über längere Hautschnitte erfolgt und bei der ein von den Patient*innen selbst stammendes, gesundes Gefäß – eine körpereigene Vene – so eingesetzt wird, dass die Engstelle umgangen wird; oder durch einen endovaskulären Eingriff, bei der ein Katheter bis in das betroffene Gefäß vorgeschoben, dieses von innen aufgedehnt und mit einem Stent abgestützt wird.

„Verbreitet herrscht die Annahme, die Operation sei mit größeren Risiken und höheren Komplikationsraten verbunden als der Kathetereingriff“, sagt Professor Dr. med. Markus Steinbauer, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg. Dem widerspreche die NEJM-Studie nun deutlich. „Hier waren die Komplikationsraten bei beiden Verfahren vergleichbar. Jedoch konnte mithilfe einer Bypass-Operation eine wesentlich größere Zahl von Reeingriffen und Amputationen verhindert werden“, berichtet der DGG-Experte.

Für die Studie, an der insgesamt 1830 Menschen mit kritischen Durchblutungsstörungen der Beine teilnahmen, wurden die Betroffenen nach einer eingehenden Voruntersuchung in zwei Gruppen eingeteilt: Diejenigen, bei denen das am häufigsten als Bypass genutzte Beingefäß, die körpereigene Vena saphena magna, geeignet für diesen Eingriff war – das war bei fast drei Vierteln der Patientinnen und Patienten der Fall – und diejenigen, bei denen auf Kunststoffprothesen oder zusammengesetzte Venenbypässe zurückgegriffen werden musste. In beiden Gruppen wurden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip für einen Stent-Einsatz oder einen Bypass ausgewählt. Die Analyse erfolgte jedoch für beide Gruppen getrennt.

Dabei erwies sich das operative Verfahren in der großen Gruppe mit intakter Vena saphena magna als deutlich überlegen. „In der durchschnittlich 2,7 Jahre währenden Nachbeobachtungszeit lag die Rate der Major-Amputationen nach Bypass-Operation in dieser Gruppe um mehr als ein Viertel niedriger als nach endovaskulärem Eingriff“, fasst Steinbauer die Ergebnisse zusammen. Das Risiko dafür, dass ein anderer größerer Nachsorge-Eingriff notwendig wurde, war sogar um mehr als die Hälfte geringer.

Damit bestätigte sich die bereits in früheren Studien gemachte Erfahrung, dass ein mit einem Stent versorgtes Gefäß häufiger zu Wiederverschlüssen neigt und mehr Folgebehandlungen erforderlich macht als ein Bypass. Besonders wichtig: Auch in puncto Sicherheit war der Bypass dem vermeintlich schonenderen Stenteinsatz nicht unterlegen. „Bei beiden Verfahren bestand ein vergleichbares Risiko, während oder kurz nach dem Eingriff zu sterben“, berichtet Steinbauer.

In der Studie erwies sich das operative Verfahren somit bei der Mehrzahl der Patienten als überlegen – nicht jedoch bei den Untergruppen der über 80-Jährigen, der Menschen mit Nierenversagen, bei höhergradigen Geschwüren oder wenn bereits zuvor eine Revaskularisierung an demselben Bein stattgefunden hatte. Auch bei der zweiten Patientengruppe, bei der die Vena saphena magna als Eigentransplantat ausfiel, bot die Operation keinen zusätzlichen Vorteil.

„Alter und Komorbiditäten waren schon bislang wichtige Entscheidungskriterien“, so Steinbauer. Die aktuelle Studie unterstreiche noch einmal, dass beide Verfahren bei kritischen Durchblutungsstörungen angeboten werden sollten und die Entscheidung für das eine oder andere Verfahren stets individuell und interdisziplinär getroffen werden müsse – im Idealfall unter Einbeziehung angiologischer, radiologischer und gefäßchirurgischer Expertise. „Zugleich entkräftigt sie das gängige Vorurteil, dass die Operation per se mit einem erhöhten Komplikationsrisiko einhergeht und bietet eine wichtige Entscheidungshilfe anhand konkreter Patientencharakteristika“, bilanziert Steinbauer.

Quelle: DGG

Gestärkt in die Operation – Ernährungsmanagement vor großen Eingriffen essenziell

Eine gute Ernährung ist wirksamer als manche Medizin, das belegen zahlreiche Studien: Patientinnen und Patienten, die ausreichend mit Energie und Proteinen versorgt sind, genesen oft schneller und verlassen das Krankenhaus früher. Bei kritisch Kranken kann eine gezielte Ernährungstherapie sowohl die Komplikationsrate als auch das Sterberisiko senken. Diese Erkenntnisse sind bereits heute in Leitlinien zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen verankert. Dennoch werden Ernährungsscreening und -therapie in Kliniken nicht konsequent umgesetzt, wie eine aktuelle Befragung zeigt. Sie nimmt die Versorgung von Tumorpatientinnen und -patienten an deutschen Krankenhäusern unter die Lupe und legt dar, was die Umsetzung hemmt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM) nimmt die Untersuchung zum Anlass, erneut auf die Bedeutung eines klinischen Ernährungsmanagements hinzuweisen. Die Fachgesellschaft ist auch an einem offenen Brief an die Bundesregierung beteiligt, in dem eine Verbesserung der Ernährung im Krankenhaus gefordert wird.

Die aktuelle Studie, die von Saskia Wendt vom Israelitischen Krankenhaus Hamburg geleitet und in der „Aktuellen Ernährungsmedizin“ veröffentlicht wurde, widmet sich Patientinnen und Patienten, die sich einer Tumoroperation am Verdauungstrakt unterziehen mussten. Sie sind in mehrfacher Hinsicht von Mangelernährung bedroht und profitieren besonders von einer Ernährungsintervention: Zum einen steigert der Tumor selbst den Energie- und Proteinbedarf, zum anderen begünstigen die gastrointestinalen Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen, die mit der Erkrankung einhergehen, eine Mangelernährung.

Von 117 der per Online-Fragebogen kontaktierten Kliniken nahmen 40 an der Befragung teil. In dieser – sicherlich positiv verzerrten – Stichprobe gab die große Mehrzahl (35) an, sich bei der präoperativen Ernährungstherapie an einschlägigen Leitlinien zu orientieren. Zudem würden mehr als drei der von der DGEM empfohlenen Maßnahmen gegen Mangelernährung angeboten. Alle Teilnehmenden gaben außerdem an, in ihrer Klinik würden Ernährungsfachkräfte beschäftigt. Dennoch gaben rund zwei Drittel (27) an, der Ernährungszustand spiele in der ärztlichen Betrachtung eine zu geringe Rolle. Das hemme ein zielführendes präoperatives Ernährungsmanagement. Da Patienten sich in der Klinik erst kurz vor der Operation vorstellen, bliebe keine Zeit für eine Ernährungsintervention, stellte rund der Hälfte der Befragten fest. Als weitere Hürde benannten 21 der 40 Teilnehmenden die bisher fehlende Vergütung der Ernährungstherapie in der Versorgung außerhalb des klinischen Settings.

„Die Hamburger Studie zeigt, dass die Umsetzung des präoperativen Ernährungsmanagements nicht nur die operierenden Krankenhäuser selbst betrifft, sondern auch die vorbehandelnden Ärztinnen und Ärzte sowie gesundheitspolitische Entscheider“, sagt Professor Dr. med. Matthias Pirlich, niedergelassener Internist und Ernährungsmediziner in Berlin. Sowohl für Niedergelassene als auch für Kliniken könne eine Lösung darin liegen, untereinander und mit selbstständigen Ernährungstherapeutinnen und -therapeuten zu kooperieren und so ein interdisziplinäres präoperatives Ernährungsmanagement aufzubauen. „Hierfür müssen jedoch entsprechende gesundheitspolitische Rahmenbedingungen geschaffen und etwa die Abrechnungsmöglichkeiten angepasst werden“, betont der DGEM-Präsident.

In einem offenen Brief appelliert die DGEM an die Politik, die Weichen im Gesundheitssystem so zu stellen, dass das Potenzial einer gesunden und an die Patientenbedürfnisse angepassten Ernährung besser genutzt werden könne. Gemeinsam mit weiteren Fachgesellschaften und Kliniken fordert die DGEM Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach und Bundesernährungsminister Cem Özdemir auf, die Ernährung in Krankenhäusern als wichtiges Thema in die neue nationale Ernährungsstrategie aufzunehmen. „Die Patientenverpflegung in deutschen Krankenhäusern ist leider meist nicht gesundheitsfördernd“, sagt Professor Dr. med. Johann Ockenga, Direktor des Klinikums Bremen Mitte und DGEM-Vorstandsmitglied, der den offenen Brief mitverfasst hat. Damit laufe sie sowohl dem Genesungs- und Präventionsauftrag der Kliniken zuwider als auch deren Vorbildfunktion in der Gesellschaft. Die Verfasserinnen und Verfasser fordern daher verpflichtende Standards für die Krankenhausernährung sowie eine adäquate Finanzierung. „Derzeit wird die Ernährung als nicht-medizinische Leistung eingestuft, für die die Kliniken durchschnittlich nur 5,14 Euro pro Patient und Tag zur Verfügung haben“, sagt Ockenga. Dieser viel zu geringe Betrag ermögliche keinerlei Steigerung der Essensqualität. Die Hauptforderung an die Gesundheitspolitik zielt daher darauf, das Budget zu erhöhen und die Ernährung im DRG-System angemessen abzubilden: „Das Angebot einer gesundheitsförderlichen Ernährung ist […] essenzieller Teil einer evidenzbasierten medizinischen Behandlung. Ernährung ist Medizin“, heißt es in dem Brief.

Quelle: DGEM

Presseschau

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